Wir sagen DANKESCHÖN!
Dankeschön ...
„Hier sind wir keine Außenseiter, hier sind wir eine große Familie!“
An 25 Holzbuden und im Gasthaus Bischenberg: Fülle und Vielfalt mit unbeschwertem Genussfaktor. Neue Gesichter beim Gipfeltreffen GlutenFREE: Austausch mit Backfee Trudl Marquardt, Konditormeister Jörg Hecker und glutenfree-Koch Marcus Beran. Am Sonntag: ausverkaufte Stände, glückliche Gäste, konstante Besucherzahlen.
Der glutenfreie Weihnachtsmarkt auf dem Bischenberg wurde in seiner dritten Runde wieder zum Publikumsmagneten für Betroffene und für Ausflügler von nah und fern. 6500 Besucher waren es am Ende, die am ersten Adventswochenende unbeschwert mit Leckereien, Punsch und Glühwein auf über 500 Höhenmetern genussvoll feierten. Von weit her kamen sie: aus den Beneluxländern, dem Elsass, der Schweiz, aus ganz Deutschland, aus Berlin, Heidelberg, Mainz, hauptsächlich aber aus Baden-Württemberg. Viele blieben über Nacht und verbanden die Veranstaltung mit einem Kurzurlaub im Schwarzwald. „Wir sind überglücklich, der glutenfreie Weihnachtsmarkt ist zu einer liebgewonnenen Tradition geworden, am ersten Advent ist man auf dem Bischenberg, wo sonst?“, freute sich Tatjana Broek vom Veranstalter- und Gastgeber-Team über die positive Entwicklung.
„Kind, beiß einfach rein!“, hieß das Motto.
„Nicht fragen, nichts bereuen, nur genießen, denn heute ist alles erlaubt, weil alles, wirklich alles glutenfrei ist!“ Es ist der Duft von ofenfrischem Brot, gegrillten Röstaromen, von Süßem mit Zimt und Zucker, der durch den Weihnachtsmarkt weht und einem das Wasser im Munde zusammen laufen lässt, egal ob man nun betroffen ist oder nicht. Lebkuchen, Steakweck, Würstchen, Spätzle mit Rahmsauce und paniertem Schnitzel, Suppen, Döner, Pizza, Pestos, Maronen, Marmeladen, Gebäck, ofenfrische Brötchen und Laugenstangen, herzhafte Waffeln und natürlich die süßen Crêpes mit unterschiedlichen Aufstrichen, es gab einfach alles, was das Schlemmerherz begehrt. Auch nebenan im Gasthaus Bischenberg war von morgens bis abends der Tisch glutenfrei gedeckt, inklusive Obstkuchen, Bienenstich und Sahnetorten vom Buffet.
Den ersten Döner seines Lebens
„Die Reise hat sich definitiv für uns gelohnt“, Marina Weichand kommt aus Ravensburg. Sie leidet an Glutenunverträglichkeit und brachte ihre Zöliakie-Freundin Verena gleich mit. „Wir bleiben den ganzen Tag und essen uns durch, dieser Döner hier schmeckt einfach köstlich“, sagt die junge Frau. Kein Wunder, denn Szene-Koch und Ernährungscoach Marcus Beran hat ihn an seinem Stand höchst persönlich zubereitet. „Ich bin selbst Betroffener und koche hier das, was man sonst nicht bekommt!“, erklärt Beran sein Angebot, das auch noch Pizza bietet. Nebenbei füllt er die Teigtasche des Döners mit frischen Gurken- und Tomatenscheiben, Kraut- und Eisbergsalat, Zwiebeln, Zaziki und Fleisch aus dem Steinofen. „Es gibt Kinder, die haben bei mir heute den ersten Döner ihres Lebens gegessen, solche Momente sind für mich unbeschreiblich, dafür lohnt sich jeder Aufwand!“, freut sich Marcus Beran.
Wir kommen wieder
Auch bei den Street-Food-Leuten Eva und Tom herrschte Andrang am Food-Truck. Das Pärchen aus dem Allgäu verkaufte spiralförmige Kartoffelchips, getoppt mit Paprika- und Mango-Salsa, mit oder ohne Fleischbeilage. „Wir kommen aus einer 600 Seelen Gemeinde, das Fleisch ist von unserem Metzger, Kartoffeln und Gemüse vom befreundeten Bauern“, so Eva. Er baue nur für sie Kartoffeln der Sorte Dita an, festkochend, bestens geeignet für die Spiralkartoffeln. Und was ist eigentlich ein Germanenspieß? Der Not gehorchend kam die Zöliakie-Familie Bau im Urlaub auf den aus verschiedenen Backmehlen hergestellten Brotspieß, der knusprig gegrilltes Fleisch ummantelt. Dieses Jahr durfte die jüngste Tochter mithelfen.
„Wir schätzen das persönliche Umfeld, man geht hier anders miteinander um als auf einer Großmesse“, sagt Oda Pfüller von der Gourmandisserie. „Wir sind sehr zufrieden und kommen nächstes Jahr wieder!“ Klaus Kaupp aus Haiterbach, der zum ersten Mal hier ist, will nicht bis zum nächsten Advent warten, sondern schon viel früher zum Wandern und Einkehren auf den Bischenberg kommen. „Bei mir ist erst vor zwei Jahren Zöliakie festgestellt worden, ich bin froh, dass ich hier immer bedenkenlos essen kann“, sagt er und genießt weiter seine Schwarzwälder Kirschtorte. „Ich habe nach glutenfrei und Events gegoogelt und kam so auf den Weihnachtsmarkt“, erzählt die Freundin von Anna Lena Reimer aus Meresheim. Sie hat Zöliakie und wurde von ihrem Mann und ihren Freunden zu einem Bischenberg-Wochenende eingeladen. Ein Geburtstagsgeschenk. „Ich genieße das sorglose Essen hier und die Natur um den Bischenberg herum“, meint Ana Lena Reimer.
Gipfeltreffen GlutenFREE
Ein noch so kleines Brot-Krümelchen und schon könnte es losgehen: Schmerzen, Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, Depressionen, Durchfall oder Verstopfung. Ein Prozentsatz der Bevölkerung verträgt kein Gluten und ist lebenslang auf „Diät“, auf Verzicht. Die Welt der Zöliakie sieht düster aus!
„Von wegen“, sagt Trudel Marquardt, Backfee der ersten Stunde und macht Betroffenen und auch denen, die an Unverträglichkeit leiden, beim GlutenFREE-Treffen am Samstagmittag Mut. Bei ihr wurde vor 23 Jahren Zöliakie diagnostiziert. „Ich wäre froh gewesen, ich hätte das glutenfreie Angebot von heute gehabt“, so Trudl Marquardt. Zwischen ihr und den über hundert Teilnehmern kam es zu einem regen Austausch. „Sie können alles kochen wie früher, nur mit den richtigen Zutaten“, sagt sie. „Und keine Panik, immer wachsam sein, beim Einkaufen das Kleingedruckte lesen. Dafür müsse man aber die Kennzeichnungsverordnung kennen. „Diese kann man bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG) mit der Lebensmittelliste anfordern“, sagt sie. Dann legt sie los mit ihren Empfehlungen: modifizierte Stärke ist glutenfrei, In Essig und Gewürzmischungen kann versteckt Gluten stecken, Gerstenmalz hat Gluten. Auf die Kennzeichnung glutenfrei ist Verlass. Achtung: Gefahr der Kontaminierung, etwa durch Frittierfett oder beim gemeinsamen Grillen. „Ich möchte die Betroffenen auf ihrem Weg begleiten und ihnen die Angst nehmen, besonders vor dem Backen“, so Marquardt. Sie rät ab von Gluten-Apps und Medikamenten, die Gluten angeblich auffangen. Ein guter Ratschlag ist das Führen eines Ernährungsprotokolls. Denn, wenn im Körper allergische Reaktionen ablaufen, können diese auch zeitverzögert auftreten. Ignoriert man die Symptome dauerhaft, riskiert man Darmkrebs und Mangelerscheinungen, weil sich die Zotten im Dünndarm entzünden und sich zurück bilden. „Ohne intakte Darmzotten können wichtige Nährstoffe nicht mehr aufgenommen werden“, warnt sie.
Abends hatte Marcus Boran sein Gipfeltreffen mit Betroffenen. Er hatte sich auf zwei Themen vorbereitet: Wie funktionieren die Mehle am Beispiel eines glutenfreien Hefeteiges? Außerdem erklärte er aus Sicht eines Koches die Abläufe in einer Restaurantküche. Warum es zum Beispiel für einen Koch schwierig sein kann, auf glutenfreie Sonderwünsche der Gäste einzugehen. Ein Restaurant zu finden, das glutenfreie Speisen anbietet, kann zu einem Spießrutenlauf werden. „Mein Vorteil ist, dass ich beide Seiten mit ihrer Problematik kenne, daraus lassen sich Lösungen erarbeiten“, so der Ausbildungsleiter für glutenfreie Ernährung. „Zöliakie ist eine ernste Erkrankung, das heißt wir Betroffenen müssen aber auch von der Öffentlichkeit ernst genommen werden.“
Draußen geht für Kinder ein Traum in Erfüllung: Ponyreiten, Stockbrot am offenen Feuer grillen, dem Weihnachtsmann „Hallo“ sagen und natürlich essen, was das Kinderherz begehrt. „Wir kommen jedes Jahr auf den Bischenberg mit unseren Kindern“, freute sich Familie Schubert aus Sinzheim. „Wir fühlen uns hier wie zu Hause, hier sind wir keine Außenseiter, sondern wie eine große Familie!“ Auffällig viele Familien sind auf den Bischenberg gekommen. Ein Wochenende – eine heile Welt! Sie bleiben viele Stunden, auch um sich untereinander auszutauschen. Dafür steht Konditormeister Jörg Hecker an seinem Stand Rede und Antwort. Seine Frau leidet an Zöliakie, so kam er zum glutenfreien Backen. „Die meisten Fragen kamen zum Brot, es wird oft schon nach einem Tag hart“, sagt er. Sein Tipp: Wenn man Körner mit heißem Wasser aufschüttet und darin ziehen lässt, entziehen sie nicht dem Brot die Feuchtigkeit. Beim Backen sollte man dann aber nach 15 Minuten den Ofen kurz öffnen, damit der Wasserdampf entweichen kann. „Mein Ziel ist, so zu backen, dass es keiner merkt, dass es glutenfrei ist!“, sagt Jürgen Hecker. Als Gesunder kann er glutenhaltiges und glutenfreies Backwerk vergleichen und so lange experimentieren bis der Genussfaktor identisch ist.
An seinem Stand fand auch zu Gunsten des Vereins krebskranker Kinder eine Verlosung statt. Verlost wurden Gewinne, die wiederum gespendet wurden: 4 Kochkurse von Marcus Beran; 1 Backbuch von Tanja Gruber: verschiedene Produkte von Schär, Isabelle Patisserie, uvm. Das Team vom Bischenberg spendete die Weihnachtsmarkthütte, seine Trinkgelder vom Kuchenbuffet; außerdem flossen die Einnahmen aus dem Verkauf von 85 Kilo (!) Weihnachtsgebäck in die Spende an das Kinderhilfswerk mit ein. „Wir haben an die 4000 Euro eingenommen, das hätten wir nicht erwartet – wie schön, dass es den Bischenberg gibt!“ @Text und Bild: Rose Schweizer